Ethereum befindet sich in einer Phase tiefgreifender Veränderungen. Die Ethereum Foundation hat strukturelle, finanzielle und technische Weichen gestellt, um das Netzwerk in den kommenden Monaten für eine groß angelegte Adoption zu rüsten - und gleichzeitig auf eine klare neue Vision hin auszurichten.
Am 2. Juni gab die Ethereum Foundation (EF) bekannt, dass sie ihr zentrales Entwicklungsteam restrukturiert und die Mitarbeiterzahl reduziert hat. Das frühere PR&D-Team heißt nun schlicht „Protocol“ und fokussiert sich künftig auf drei Kernziele: Skalierung der Basisschicht (L1), Erweiterung des Datenraums für Rollups (Blobspace) und Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit (UX).
Dabei wurden Schlüsselpersonen wie Tim Beiko, Alex Stokes und Barnabé Monnot neuen Bereichen zugeordnet, während sich einige Mitarbeiter vollständig aus dem Projekt zurückziehen mussten.
Dieser Umbruch erfolgt im Kontext einer größeren strategischen Neuausrichtung, die auch personelle Führung betrifft: Mit Hsiao-Wei Wang und Tomasz Stańczak wurden zwei neue Co-Geschäftsführer berufen. Die operative Führung und die langfristige Vision der EF werden künftig klarer getrennt - Buterin und der Vorstand sollen sich auf strategische Richtlinien konzentrieren.
Gleichzeitig stellt die Ethereum Foundation ihre Treasury-Strategie um. Angesichts sinkender Rücklagen - bei konstant hohen Betriebskosten - wurde ein strukturierteres Modell eingeführt: Die ETH-Reserven sollen nun teilweise in dezentrale Finanzprotokolle (DeFi) eingebracht werden, um Erträge zu erzielen und das Ökosystem gezielt zu stärken.
So wurden im Februar bereits 45.000 ETH in verschiedene Protokolle wie Aave, Spark oder Compound eingebracht. Über Aave wurden Stablecoins wie GHO im Gegenwert von 2 Millionen US-Dollar geliehen. Der Schritt markiert einen bewussten Bruch mit der bisherigen Neutralitätsstrategie der EF, die gezielte Förderung einzelner DeFi-Anwendungen bisher vermieden hatte.
Die Umstellung auf eine aktivere Finanzpolitik erfolgt nicht ohne Kritik: Einige Community-Mitglieder werfen der Foundation mangelnde Transparenz und ineffizientes Treasury-Management vor - Vorwürfe, denen die EF künftig mit vierteljährlichen Finanzberichten begegnen will.
Während Bitcoin und Solana neue Höchststände erreichten, blieb ETH deutlich unter dem Allzeithoch zurück. Genau diese Entwicklung war laut Ethereum-Investor Ryan Berckmans ein Weckruf für zentrale Figuren wie Vitalik Buterin - und markiert den Wendepunkt in Ethereums Strategie.
Die frühere Rollup-zentrierte Ausrichtung wird nun durch eine ausbalancierte Layer-1/Layer-2-Strategie ersetzt. Ziel: mehr Synergie zwischen Skalierung, Sicherheit und einfacher Anwendbarkeit.
Berckmans ist überzeugt, dass Ethereum das Fundament künftiger Onchain-Ökonomien bilden wird - mit einem langfristigen ETH-Kursziel von 20.000 bis 80.000 US-Dollar, sofern das Netzwerk erfolgreich zur tragenden Infrastruktur der digitalen Welt wird.
Vitalik Buterin selbst schlägt eine radikale Vereinfachung des Ethereum-Protokolls vor - ohne dabei auf seine Stärken zu verzichten.
Sein Ziel: Ethereum soll so einfach und stabil wie Bitcoin werden, aber gleichzeitig leistungsfähig bleiben.
Konkrete Ansätze:
- Der geplante Fusaka-Hardfork soll durch höhere Datenverfügbarkeit die Layer-2-Skalierung verbessern.
- Ein neuer 3-Slot-Finalitätsansatz soll den Konsensmechanismus effizienter machen und Transaktionen schneller finalisieren.
- Die Ethereum Virtual Machine (EVM) könnte langfristig durch die offene RISC-V-Architektur ersetzt werden - für mehr Performance und geringere Komplexität.
- Einheitliche Standards wie gemeinsame Erasure Codes und Serialisierungs-Strukturen sollen Entwicklung und Interoperabilität im Ethereum-Ökosystem vereinfachen.
Buterins technische Roadmap ist ambitioniert und trifft auf ein Ökosystem, das mehr denn je nach Klarheit, Effizienz und Zielorientierung verlangt.
Ethereum steht an einem entscheidenden Punkt. Die nächsten 18 Monate sollen die Weichen stellen: Mit neuer Führungsstruktur, DeFi-Fokus, technischer Simplifizierung und strategischer Neuausrichtung will die Ethereum Foundation das Protokoll auf das nächste Level heben. Noch nie war der Spagat zwischen Dezentralität und Effizienz so herausfordernd - und zugleich so notwendig.
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